Potentiale und Limitationen der Digitalisierung im Anbau von Mais und Hackfrüchten
Am 24. Mai lud das Projektteam der TH Bingen vom Experimentierfeld Südwest (EF SW) zum „Digitaltag“, eine Vortragsund Vorführveranstaltung zur Digitalisierung in der Landwirtschaft ein. Die Veranstaltung mit dem Thema „Potenziale und Limitationen der Digitalisierung im Anbau von Mais und Hackfrüchten“ richtete sich speziell an Landwirte und Landwirtinnen, die mehr über neue digitale Innovationen und Technologien erfahren wollten. Zudem nahmen an der Veranstaltung Vertreter aus der Landtechnikindustrie und Offizialberatung der DLR, Studierende und andere Interessierte teil. Insgesamt zählte die Veranstaltung rund 50 Teilnehmer und Teilnehmerinnen.
Durch die erwarteten hohen Niederschläge am Morgen des 24. Mai mussten die Vorführungen im Feld kurzfristig in Vorträge umgewidmet werden. Die Vortragsveranstaltung eröffnete Herr Prof. Dr. Thomas Rademacher. In seiner Begrüßungsrede hieß er die Anwesenden willkommen und griff anschließend das sehr niederschlagsreiche Wetter auf, das selbst für digitale Technologien eine natürliche Grenze sein kann.
Als erster Referent übernahm Herr Michael Wenning, Vertriebsleiter bei Kleffmann Digital RS, das Wort und startete seinen Beitrag mit einer kurzen Unternehmensvorstellung und den angebotenen Dienstleistungen. Das Unternehmen hat sich der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung heterogener Schläge über den „Offline-Ansatz“ mittels Applikationskarten verschrieben und bietet dafür seinen Kunden die Plattform „MyDataPlant“ an. Herr Wenning führte den Teilnehmern die Erstellung einer teilflächenspezifischen Aussaatkarte, auf Basis von Biomasse- und Ertragskarten, vor. Danach zeigte er Versuchsergebnisse aus dem Kartoffelanbau, in denen mittels Applikationskarten eine Ertrags- und Qualitätssteigerungen erzielt wurden.
Den zweiten Beitrag übernahm Herr Horst Stauffer-Bescher, Masterstudent an der Universität Hohenheim, in Vertretung für Herrn Dr. Peter Risser von der Südzucker AG. Im Rahmen seiner Masterarbeit hat er im Vorjahr an einem Feldversuch in Zuckerrüben auf dem Südzucker Versuchsgut in Kirschgartshausen mitgewirkt. In dem Versuch wurden verschiedene digitale Unkrautbekämpfungsverfahren, darunter KI gesteuerte Hack- und Spotspraytechniken, eingesetzt. Mit den Techniken konnten, gegenüber einer konventionellen Flächenspritze, große Mengen an chemischen Pflanzenschutzmitteln, bei konstant bleibenden Erträgen und niedrigen Unkrautdichten, eingespart werden. Dennoch attestierte Herr Stauffer-Bescher den Hacktechniken durch ihre niedrige Flächenleistung und hohen Anschaffungskosten eine geringe Wirtschaftlichkeit und resümierte abschließend, dass eine weitere Limitation von chemischen Pflanzenschutzmitteln die Systeme keinesfalls wirtschaftlicher machen würden.
An den Vortrag knüpfte Herr Dr. Michael Klindtworth, Übersetzungsmanager bei der Firma Grimme, an, indem er die Schwierigkeit des Einsatzes von Hacksystemen auf und an Kartoffeldämmen betonte. Nach einer kurzen Einführung zu dem Unternehmen, gab Herr Dr. Klindtworth einen Einblick in die verschiedenen digitalen Techniken, die im Kartoffelanbau bereits eingesetzt oder aktuell entwickelt werden. Eine Besonderheit war der sogenannte „Crop-Analyser“. Dieser besteht aus einem Sensor am Verlesetisch, der den Gutstrom optisch auf die Form, Größe, Anzahl an Knollen und Beimengen wie Steine und Kluten analysieren kann. Die optische Analyse mit dem Crop-Analyser ermöglicht eine genauere Ertragsermittlung, als mit herkömmlichen Techniken möglich ist. Neben den vielen Chancen, die solch digitale Technologien bieten, verwies Herr Dr. Klindtworth jedoch auch auf die Komplexität des Ernteprozesses von Kartoffeln, der noch viele Jahre Entwicklungsarbeit erfordert. Zunächst werde daran gearbeitet einzelne Arbeitsprozesse dabei zu automatisieren. Ein vollautonomer Ernteroboter ist aus diesen Gründen für Herrn Dr. Klindtworth hingegen noch in ferner Zukunft zu verordnen.
Nach dem Mittagessen übernahm Herr Benson Kisinga, wissenschaftlicher Mitarbeiter im EF SW, das Wort, mit einem Beitrag zur Entwicklung eines Systems zur Bewässerungssteuerung auf Basis von Boden- und Wetterdaten. Dafür verwies Herr Kisinga zunächst auf die aktuellen Probleme im Kartoffelanbau, zu denen insbesondere der Klimawandel und die von Zikaden übertragenen Krankheiten, die zu Gummiknollen oder Welkeerscheinungen führen können. Im Anschluss stellte Herr Kisinga die verschiedenen Kartoffelversuche an der TH Bingen vor. Neben verschiedenen Sorten testet er in den Kartoffelanbauversuchen ein sensorgesteuertes Bewässerungssystem, dass er in diesem Jahr anhand der Bodenfeuchte und Wetterprognosen automatisieren und somit den Wasserverbrauch an den Bedarf der Pflanzen anpassen möchte.
Die nächsten beiden Referenten waren Herr Jona Hinze und Frau Elisa Wölbert, ebenfalls Mitarbeiter des EF SW, beim DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück. Im Rahmen des Projekts beschäftigen sich die beiden intensiv mit der Nutzung von Drohnentechnik in der Landwirtschaft. Dafür klärten sie zunächst über die rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz von Drohnen und die damit verbundenen Anschaffungskosten auf. Im Anschluss zeigten sie einen Überblick aus verschiedenen Versuchen, in denen sie die Drohnentechnik zum Einsatz brachten. Ein Beispiel daraus waren die Drohnenaufnahmen von einem jungen Maisbestand, um aus den Bildern eine Applikationskarte für die teilflächenspezifische Ausbringung von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu erstellen. Daneben testeten die beiden gemeinsam mit dem Team der TH Bingen die Drohne bereits im Dauergrünland, um Kennarten für die Ökoregelung 5: „Kennartennachweis im Dauergrünland“ zu erfassen.
Den letzten Vortrag der Veranstaltung übernahm Sebastian Henrichmann von der Agravis Technik Holding GmbH. Das Unternehmen testet zunehmend verschiedene autonome Feldarbeitssysteme in der Praxis. Eine dieser Techniken ist der Ecorobotix ARA. Das Arbeitsgerät dient der hochpräzisen Ausbringung von chemischen Pflanzenschutzmitteln und kann durch seine Bauweise auf nahezu sämtliche Flächen eingesetzt werden. Trotz seiner anfänglichen Skepsis über die Technik, zeigte sich Herr Henrichmann von der Funktionalität und der Präzision der Ausbringung überrascht. Die verbauten Kameras erkannten die Unkräuter bereits mit einer sehr hohen Zuverlässigkeit im Keimblattstadium und das System konnte diese, mit einer nur sehr kleinen applizierten Fläche, gezielt behandeln. Dabei ist die eingesparte Menge an chemischen Pflanzenschutzmitteln von der Unkrautdichte im Feld abhängig. Mit hohen Unkrautdichten sinkt die eingesparte Mittelmenge. Dennoch bietet die Technik das Potenzial bei wiederholten Behandlungen große Mengen an Pflanzenschutzmittel einzusparen und den unerwünschten Austrag zu reduzieren. Durch seine Arbeitsbreite von über 6 m konnte der Ecorobotix ARA gleichzeitig eine gute Schlagkraft aufweisen. Dennoch weist auch diese Technik hohe Anschaffungskosten auf.
Zum Abschluss der Veranstaltung fasste Herr. Prof. Dr. Rademacher die wichtigsten Inhalte der Veranstaltungen noch einmal zusammen. Er zeigte sich sichtlich beeindruckt, wie schnell die technische Entwicklung voranschreitet und welche Möglichkeiten die digitalen Technologien bereits heute für den Mais- und Hackfruchtanbau bieten. Dennoch wurden für ihn auch die Grenzen und Limitationen der Techniken bestätigt. Insbesondere die fehlende Wirtschaftlichkeit, in Form von hohen Anschaffungskosten oder geringer Schlagkraft, überwiegt häufig die positiven ökologischen Effekte, bspw. durch einen reduzierten Austrag an chemischen Pflanzenschutzmitteln. Dennoch ist die Digitalisierung für Ihn bereits seit vielen Jahren ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess, der für die Landwirtschaft zukünftig viele neue Chancen aber auch neue unerwartete Herausforderungen bietet.